"Häusliche Gewalt"

„Häusliche Gewalt“ bezeichnet Gewalt zwischen Personen, die in einer partnerschaftlichen oder familiären Beziehung zu einander stehen oder standen (familiäre Gewalt/ Partnergewalt). Teils wird der Begriff auch auf den nicht-familiären „sozialen Nahraum“ ausgedehnt.

Häusliche Gewalt ist genau genommen keine Gewaltform sondern ein Gewaltkontext, in dem verschiedene Arten von Gewaltformen aufeinandertreffen können und oft kombiniert sind. Sie kann in Form körperlicher, sexualisierter oder psychischer (ökonomischer, sozialer) Gewalt auftreten und z.B. Einschränkungen der Handlungs- oder Bewegungsfreiheit, Erniedrigung, Unterdrückung, Belästigung, Bedrohung, (Cyber-) Stalking und Mobbing beinhalten.

Es steht außer Frage, dass auch häusliche Gewalt gegen Männer vorkommt. Betrachte man die Gewaltschwere und Gewaltdauer, sind Frauen häufiger Opfer und Männer häufiger Täter häuslicher Gewalt (siehe Prävalenz).

Oft besteht eine Abhängigkeitsbeziehung zwischen Opfer und Täter. Bei häuslicher Gewalt zwischen Elternteilen, sind die Kinder fast immer mittelbar oder unmittelbar betroffen, nicht selten geht sie auch mit direkter Gewalt gegen das Kind einher.

Häusliche Gewalt ist oft ein chronischer Zustand, der über die Zeit hinweg an Intensität zunimmt, jedoch auch von gewaltlosen Phasen unterbrochen sein kann.

Anamnese

Die emotionale Bindung oder (finanzielle) Abhängigkeit zu der gewalttätigen Person können Gründe dafür sein, dass es dem Opfer schwer fällt, über das Erlebte zu sprechen. Daher ist es wichtig, dass potentiellen Opfern häuslicher Gewalt durch aktive Ansprache die Möglichkeit eröffnet wird, über die Thematik zu reden.

Subjektive Angaben der Patientin bzw. des Patienten:

  • Haben Sie Gewalt durch einen (Ex-)Partner, Familienangehörigen erlebt?
  • Falls ja, handelt es sich um ein erstes Ereignis oder um wiederholte Angriffe?
  • Haben Kinder den Vorfall miterlebt?
  • Fühlen Sie sich in Ihrem häuslichen Umfeld und in Ihrer Beziehung sicher?
  • Werden Sie von einem (Ex)Partner bedroht?

Untersuchung

Wenn von körperlicher Gewalt berichtet wird, sollte stets eine Ganzkörperinspektion erfolgen, um auch klinisch nicht relevante oder unbemerkte Zeichen von Gewalt zu erkennen und zu dokumentieren. Bei häuslicher Gewalt werden häufig Hämatome, nicht selten unterschiedlichen Alters, infolge stumpfer Gewalteinwirkungen (z.B. Schläge, Tritte, festes Zupacken) beobachtet, es können aber auch zahlreiche andere Arten der Gewalteinwirkung auftreten.

Bild: Griffspuren am Arm

Dokumentation

Die geschilderten subjektiven Angaben sowie die objektiven Befunde der Gewalteinwirkung (z.B. Hämatome, Kratzspuren) müssen schriftlich dokumentiert werden. Zudem sollte eine Fotodokumentation (ggf. mit Maßstab) erfolgen.

Beratung

Fälle von häuslicher Gewalt oder von Gewalt im sozialen Nahraum erfordern neben einer körperlichen Untersuchung eine Beratung, da regelhaft eine über den aktuellen Anlass hinaus gehende Gefährdung oder Verunsicherung besteht, nicht selten mit Konsequenzen für die konkrete Wohn- und Sozialsituation. Daher muss über nichtmedizinische Beratungs- und Hilfsangebote informiert und ggf. ein erster Kontakt vermittelt werden.

Spurensicherung

Liegt eine Gewalteinwirkung gegen den Hals oder sexualisierte Gewalt vor, kann eine Spurensicherung erforderlich sein.