Selbstbeschädigung

Unter Selbstbeschädigungen werden selbst zugefügte, körperliche Verletzungen verstanden. Eine gezielt lebensbedrohliche Intention muss nicht vorliegen. Die Ursachen für Selbstbeschädigungen sind vielfältig.

Das Nebeneinander unterschiedlich alter selbst zugefügter Verletzungen wird häufig bei Personen mit einer psychiatrischer Erkrankung (z.B. Borderline-Persönlichkeit) oder in psychischen Ausnahmesituationen beobachtet. Motivation zum selbstverletzenden Verhalten kann aber auch das Erlangen von Zuwendung, Hilfeleistungen oder Verständnis sein (z.B. durch Vortäuschen einer Straftat, Notwehrsituation bei eigenem Fehlverhalten, Versicherungsbetrug durch Vortäuschen eines Unfalls). Gelegentlich werden Selbstbeschädigungen auch zugefügt, um die eigene Glaubwürdigkeit bei einer tatsächlich vorgefallenen Straftat zu verstärken oder um akute psychische Drucksituationen zu entlasten, die auf Grund des Vorfalles entstanden sind (z.B. Selbstverletzungen nach sexualisierter Gewalt).

Anamnese

Am häufigsten finden sich Selbstverletzungen als Begleitbefund, wenn diese von einem Opfer einer Straftat im engen zeitlichen Zusammenhang zu dem Vorfall selbst beigefügt worden sind. Die Verletzungen werden von den Betroffenen meist nicht selbst thematisiert, sollten aber im Rahmen der Untersuchung angesprochen werden, da akuter Bedarf an einer psychiatrischen Konsultation bestehen kann. Hierbei ist auch das Vorliegen einer eventuellen Suizidalität abzuklären.

Hinweise auf eine Selbstbeschädigung können sich auch aus der Diskrepanz zwischen der Schilderung eines besonders gewaltsamen Angriffs und dem Vorliegen eines vergleichsweise geringen Verletzungsbildes ergeben. In diesen Fällen ist eine detaillierte Sachverhaltsschilderung anzustreben.

Selbstzugefügte Verletzungen sind vermehrt auf der der Arbeitshand gegenüberliegende Körperhälfte lokalisiert. Die Händigkeit der betroffenen Person ist zu erfragen.

Da Selbstbeschädigungen gehäuft bei psychisch erkrankten Personen bzw. in psychischen Ausnahmezuständen vorkommen, sind psychiatrische Vorerkrankungen bzw. psychische Belastungssituationen (z.B. Trennung vom Partner) zu erfragen.

Untersuchung

Bei Selbstbeschädigungen finden sich häufig gleichförmige, parallel angeordnete Ritzverletzungen unterschiedlichen Alters, seltener auch geformte Verletzungen, z.B. rundliche Bläschen oder Narben infolge thermischer Läsionen durch Zigaretten sowie flächenhafte Hautabschürfungen mit Rötung durch Reiben mit einem nassen Frotteetuch.

Diese sind meist an für die betroffene Person gut zugänglichen und einsehbaren Körperregionen (z.B. Unterarme, Brust) lokalisiert. Schmerzempfindliche Körperregionen (z.B. Brustwarzen, Lippen) sind in den meisten Fällen ausgespart.

Bild: Selbstbeschädigung Unterarme

Dokumentation

Die geschilderten Angaben sowie die objektiven Befunde der Gewalteinwirkung müssen schriftlich dokumentiert werden. Zudem sollte eine Fotodokumentation mit Maßstab erfolgen.

Die Einzeichnung des festgestellten Verletzungsbildes in ein Ganzkörperschema kann zur Visualisierung des Verteilungsmusters am Körper und zur Differenzierung zwischen Selbst- und Fremdbeibringung hilfreich sein.

Bild: Selbstbeschädigung Bauch

Spurensicherung

Spurensicherungsmaßnahmen sollten ärztlicherseits nur dann erfolgen, wenn eine polizeiliche Spurensicherung nicht geplant oder absehbar ist. Selbstbeschädigungen erfolgen meist an unbekleideten bzw. entkleideten Körperregionen. Getragene Bekleidung weist in aller Regel keine Beschädigungen auf. Ggf. sollte die getragene Bekleidung zur Spurensicherung asserviert werden.